Kithara, Harfe und Laute: Instrumente der griechischen Musik

Kithara, Harfe und Laute: Instrumente der griechischen Musik
Kithara, Harfe und Laute: Instrumente der griechischen Musik
 
Mit den Dichtungen der großen attischen Tragöden Aischylos, Sophokles und Euripides zeigt sich, dass, wie schon in früherer Zeit, die Poetik wichtige Informationen über das Musikleben vermittelte. Hier wie in der Hymnen- und Dithyrambendichtung wurden im Verlauf der Zeit recht unterschiedliche Musikauffassungen, ähnlich wie bei den Philosophen, deutlich. Man reagierte oft negativ auf das aufkommende Berufsmusikertum, das gesteigerte Virtuosität entwickelte, einhergehend mit vergrößertem, technisch ausgefeiltem Instrumentarium, so zum Beispiel vielsaitigen Leiern, deren Erfindung dem Gott Hermes zugeschrieben wurde. Chelis war die allgemeine Bezeichnung für die Leier, Phorminx hieß sie bei Homer, sie hatte zunächst vier bis sieben Saiten und wurde als »schön«, »kunstvoll gefertigt« und »helltönend« charakterisiert. Als Lyra erschien sie im Umkreis von Apoll und beim Musikunterricht. Die Barbitos (oder das Barbiton) war eher das Instrument des Dionysos und diente Dichtern zur Begleitung ihrer Lyrik. Die siebensaitige Kithara, ebenfalls schon bei Homer belegt, bildete als Kastenleier mehrere Varianten aus, vor allem in der Form der kunstvoll gefertigten Jocharme und ihrer Querverbindung. Eine Sonderform ist die Wiegenkithara, die oft in den Händen von Musen und weiblichen Musikanten im häuslichen Bereich gezeigt wird. Harfen waren in Griechenland jüngeren Datums, sie scheinen in spätklassischer Zeit aufgekommen zu sein und wurden fast ausschließlich von Frauen gespielt. Sie galten als ausgeprägte Virtuoseninstrumente. Noch später, frühestens seit der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts, ist die Laute für Griechenland belegt, Reliefs und Terrakottafigurinen zeigen sie in Händen von musizierenden Frauen.
 
Wichtigstes Blasinstrument der Griechen war der Aulos, die laut und scharf klingende Doppeloboe aus Rohr, Holz oder metallumkleidetem Elfenbein mit dem doppelten Rohrblatt aus Schilfrohr als Mundstück. Die ältesten allerdings wiederum nur legendenhaft überlieferten Spieler der Instrumente, unter anderen Marsyas und Olympos, stammten aus Kleinasien, und viel spricht dafür, dass das Instrument selbst ebenfalls aus dem Osten kam. Beide Rohre wurden gemeinsam geblasen, allerdings nicht in mehrstimmigem Spiel, wie an der Parallelbewegung beider Hände in bildlichen Darstellungen zu erkennen und auch von vorderorientalischem und volkstümlichem Musizieren in Südeuropa herzuleiten ist. Zwar stellten diese gedoppelten Instrumente in der Antike keinen einheitlichen Instrumententyp dar - Auloi hatten verschiedene Rohrlängen und -stärken, variable Anzahl von Grifflöchern und wohl auch recht unterschiedlich gestaltete Mundstücke -, doch überwiegen weithin einheitliche Beurteilungen des Klanges: durchdringende nasale Dauerklänge, die der Aulos als einziges Instrument der Antike hervorbringen konnte, hatten, wie die Philosophen feststellten, eine aufreizende, orgiastische Bewegungen provozierende Wirkung. Das Instrument ist dem Umkreis des Gottes Dionysos zugeordnet, in dessen wildem, ekstatischem Kult mit Rausch und Tanz es erklang. Die Mythologie schuf hierzu die enthemmte, in mancherlei Beziehung naturverhaftete dionysische Welt, im Gegensatz zum apollonischen Prinzip des wohl geordneten, maßvollen Musizierens auf der Lyra.
 
Ein weiteres altgriechiches Blasinstrument war die Syrinx, die seit der klassischen Zeit dem bocksfüßigen GottPan zugeordnet war, bei Homer aber bereits erwähnt wurde. Die Flöte ist aus fünf, sieben oder neun einzelnen Rohren verschiedener Länge zusammengesetzt, die durch einen Querriegel, auch unter Verwendung von Wachs oder Flachs, miteinander verbunden waren. Die Syrinx wurde vielfach als Instrument der Hirten, des einfachen Volks dargestellt und in der Literatur erwähnt. Sie wurde von Platon im Blick auf seinen Idealstaat günstiger beurteilt als der Aulos, den er wegen seines aufreizenden Klanges ablehnte. Die lang gestreckte Salpinx aus dünner Metallröhre mit glockenförmigem Schallstück und deutlich erkennbarem Kessel- beziehungsweise Trichtermundstück war die von Athene erfundene Trompete der Griechen. Homer und die Tragiker erwähnen sie als Kriegsinstrument, Vasenbilder stützen diesen offenbar einzigen Verwendungszweck. Selten sind Abbildungen von Hörnern, sie wurden von den Griechen offenbar als Kochlos bezeichnet und scheinen ausschließlich als Signalinstrument gedient zu haben.
 
Zu den Schlaginstrumenten der griechischen Antike gehört das Tympanon, eine Rahmentrommel, die im Gefolge des Dionysos von Frauen, oft Mänaden in ekstatischer Bewegung geschlagen, später, im Kybelekult, auch in der Hand der Göttin gezeigt wird. Große hölzerne Klappern, von Frauen gespielt, begleiteten orgiastische, dionysische Tänze. Kleinbecken aus Metall, Kymbala, und Glöckchen, im östlichen Mittelmeerraum erst in späthellenistischer Epoche nachgewiesen, sind bei den Griechen sehr vereinzelt für frühere Zeiten belegt (6./5. Jahrhundert). Selten kamen auch Fußklappern und ein als Chalkophon bezeichnetes Klangwerkzeug vor, eine Rahmenrassel aus Metall, die zum Einzug des Chores oder zu Beginn eines Theaterstückes von Frauen zum Erklingen gebracht wurde.
 
Mit Aristoteles setzte die theoretische Auseinandersetzung mit dem Instrumentarium ein. Als »leblose Gegenstände« trennte er Aulos und Kithara von den »beseelten Instrumenten« der menschlichen Stimme. Andere Autoren unterschieden Klangeigenschaften - hoch, laut, scharf oder dumpf -, nach denen sie die Klangwerkzeuge ordneten. Wieder andere trennten Instrumente der musikalischen Praxis von solchen der Musiktheorie. Zur systematischen Zusammenfassung aller Musikinstrumente und ihrer Klassifikation kam es jedoch in der musiktheoretischen Literatur erst im Späthellenismus nachchristlicher Zeit (im 2./3. Jahrhundert) mit Aristides Quintilianus Julius Polluxund Porphyrios. Man begann, Saiten-, Blas- und Schlaginstrumente voneinander zu trennen und unterschiedlich zu bewerten, wie es noch heute bei der Klassifikation der Musikinstrumente üblich ist.
 
Prof. Dr. Ellen Hickmann
 
 
Musikgeschichte in Bildern, begründet von Heinrich Besseler und Max Schneider. Herausgegeben von Werner Bachmann. Band 2: Wegner, Max: Griechenland. Leipzig 31986.
 Neubecker, Annemarie Jeanette: Altgriechische Musik. Eine Einführung. Darmstadt 21994.
 Pöhlmann, Egert: Denkmäler altgriechischer Musik. Sammlung, Übertragung und Erläuterung aller Fragmente und Fälschungen. Nürnberg 1970.

Universal-Lexikon. 2012.

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